FG Berlin-Brandenburg konkretisiert Maßstäbe für Gutachten nach § 198 BewG
Mit Urteil vom 8. Oktober 2025 (Az. 3 K 3093/24) hat das FG Berlin-Brandenburg wichtige Leitlinien zur Frage aufgestellt, unter welchen Voraussetzungen ein Sachverständigengutachten geeignet ist, einen niedrigeren gemeinen Wert von Grundbesitz im Rahmen der Erbschaftsteuer nachzuweisen .
Ausgangslage
Im entschiedenen Fall hatte das Finanzamt im Rahmen einer Bedarfsbewertung für Zwecke der Erbschaftsteuer den Grundbesitzwert nach den typisierten Bewertungsvorschriften des Bewertungsgesetzes angesetzt. Die Steuerpflichtigen machten demgegenüber einen niedrigeren gemeinen Wert geltend und reichten hierzu ein Gutachten eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen ein.
Das Gutachten kam zu einem deutlich geringeren Wert als das Finanzamt, wich jedoch in mehreren Punkten von den Vorgaben der amtlichen Wertermittlung ab, insbesondere bei:
- der Anpassung des Bodenrichtwerts,
- der Herleitung eines objektspezifischen Liegenschaftszinssatzes sowie
- der Berücksichtigung von Baumängeln und Bauschäden.
Entscheidung des Gerichts
Das FG Berlin-Brandenburg erkannte das vorgelegte Gutachten nicht als geeigneten Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts an. Maßgeblich hierfür war, dass das Gutachten den methodischen Anforderungen nicht ausreichend genügte.
Das Gericht stellte klar:
- Die Anforderungen an ein Gutachten nach § 198 BewG ergeben sich im Wesentlichen aus
- §§ 194 ff. BauGB sowie
- der ImmoWertV (2010 bzw. 2021).
- Abweichungen von Bodenrichtwerten oder Liegenschaftszinssätzen des Gutachterausschusses sind nur zulässig, wenn sie:
- sachlich begründet,
- anhand konkreter Tatsachen belegt und
- methodisch nachvollziehbar hergeleitet werden.
- Pauschale Hinweise auf Erfahrung oder allgemeine Marktannahmen reichen nicht aus.
- Eine Anpassung des Liegenschaftszinssatzes muss grundsätzlich vom Zinssatz des Gutachterausschusses ausgehen, sofern dieser nach der ImmoWertV geeignet ist.
Im Streitfall waren die vorgenommenen Anpassungen – insbesondere zur Geschossflächenzahl (GFZ) und zum Liegenschaftszinssatz – nicht ausreichend begründet und daher nicht plausibel.
Grundsätze für die Praxis
Das Urteil unterstreicht, dass ein Sachverständigengutachten nur dann erfolgreich zum Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts eingesetzt werden kann, wenn es:
- methodisch sauber und regelkonform erstellt ist,
- die maßgeblichen gesetzlichen und untergesetzlichen Bewertungsvorschriften einhält,
- Abweichungen von amtlichen Daten nachvollziehbar und belegbar begründet und
- eine vollständige und transparente Dokumentation der Bewertungsgrundlagen enthält.
Ob ein Gutachten den Nachweis tatsächlich erbringt, unterliegt der freien Beweiswürdigung durch Finanzverwaltung und Finanzgerichte. Ein Gutachten muss dabei so überzeugend sein, dass ihm ohne weitere Ermittlungen gefolgt werden kann .
Die Entscheidung zeigt, dass der Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts zwar möglich ist, in der Praxis jedoch mit hohen Anforderungen verbunden ist. Bereits kleinere methodische Schwächen können dazu führen, dass ein Gutachten steuerlich nicht anerkannt wird. Gerade bei erbschaft- und schenkungsteuerlichen Bewertungen empfiehlt sich daher eine enge Abstimmung zwischen steuerlicher Beratung und qualifiziertem Bewertungssachverständigen, um unnötige Risiken und Mehrbelastungen zu vermeiden.






