Vorsicht bei Nießbrauchsvorbehalt: Besteuerungsfolgen bei unentgeltlicher Übertragung eines verpachteten Gewerbebetriebs gegen Versorgungsleistungen oder unter Nießbrauchvorbehalt
Sachverhalt
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteil vom 8. August 2024 (Az.: IV R 1/20, EStB 2024, 381) die steuerlichen Konsequenzen einer unentgeltlichen Übertragung eines verpachteten Gewerbebetriebs gegen Versorgungsleistungen im Vergleich zu einer Übertragung unter Nießbrauchvorbehalt präzisiert.
Im vorliegenden Fall übertrug der Vater (V), der Eigentümer eines Hotels war, dieses im Zuge der vorweggenommenen Erbfolge auf seine Kinder, die Klägerin und ihren Bruder. Ursprünglich sah der notarielle Vertrag vom 28. Dezember 1995 zugunsten des V ein Nießbrauchsrecht an den übertragenen Grundstücken vor. Diese Vereinbarung wurde später dahingehend geändert, dass anstelle des Nießbrauchs eine monatliche Rente gezahlt wurde, die den Nettoerträgen des Hotelbetriebs entsprach.
Nach dem Tod des V im Jahr 1998 setzten die Kinder die Verpachtung im Rahmen einer GbR fort. Der Streitfall bezog sich darauf, ob die Übertragung des Betriebs im Jahr 1995 als unentgeltliche Übertragung im Sinne von § 6 Abs. 3 EStG oder als Betriebsaufgabe nach § 16 Abs. 3 EStG zu behandeln ist und welche steuerlichen Konsequenzen sich daraus ergeben.
Steuerliche Behandlung: Unterschiede zwischen Versorgungsleistungen und Nießbrauch
1. Übertragung gegen Versorgungsleistungen
Eine Übertragung eines verpachteten Gewerbebetriebs gegen Versorgungsleistungen gilt steuerlich als unentgeltlich und fällt unter § 6 Abs. 3 S. 1 EStG. Die wesentlichen Punkte sind:
- Fortführung der Buchwerte: Die Wirtschaftsgüter des Betriebs gehen zum Buchwert in das Betriebsvermögen des Erwerbers über.
- Keine sofortige Besteuerung stiller Reserven: Es erfolgt keine sofortige Aufdeckung stiller Reserven, da die Versorgungsleistungen nicht als Entgelt, sondern als private Gegenleistung für die Versorgung des Übergebers gewertet werden.
- Steuerlicher Vorteil: Diese Regelung ermöglicht eine steuerlich günstige Fortführung des Betriebs.
Im vorliegenden Fall wären diese Voraussetzungen erfüllt gewesen, da der V durch den geänderten Vertrag eine monatliche Rente erhielt, die als private Versorgungsleistung qualifiziert wurde.
2. Übertragung unter Nießbrauchvorbehalt
Bei einer Übertragung unter Vorbehalt des Nießbrauchs verbleiben die Einkünfte und die Verfügungsgewalt über die Betriebsgrundlagen beim Nießbrauchsberechtigten. Steuerlich ergeben sich folgende Unterschiede:
- Fortbestehen des Gewerbebetriebs beim Übertragenden: Der Übertragende bleibt wirtschaftlicher Inhaber des Betriebs. Der Nießbrauch führt dazu, dass die Verpachtungstätigkeit dem Übertragenden weiterhin zugerechnet wird.
- Entnahme der Wirtschaftsgüter: Die übertragenen Wirtschaftsgüter gelten als ins Privatvermögen des Übertragenden entnommen und sind zum Teilwert zu bewerten (§ 4 Abs. 1 EStG).
- Keine unentgeltliche Übertragung: Da der Betrieb weiterhin dem Nießbrauchsberechtigten zuzurechnen ist, kommt eine steuerliche Behandlung nach § 6 Abs. 3 EStG nicht in Betracht.
Der BFH stellte klar, dass in Fällen des Nießbrauchvorbehalts keine Betriebsaufgabe gemäß § 16 Abs. 3 EStG vorliegt. Erst mit dem Tod des Nießbrauchsberechtigten gehen die Wirtschaftsgüter in das Betriebsvermögen des Erwerbers über.
Bedeutung des Urteils für die Praxis
Das Urteil verdeutlicht, dass die steuerliche Behandlung einer Betriebsübertragung maßgeblich von den vertraglichen Gestaltungen abhängt:
- Versorgungsleistungen: Diese sind steuerlich vorteilhaft, da sie die Fortführung der Buchwerte ermöglichen und die Besteuerung stiller Reserven vermeiden.
- Nießbrauchvorbehalt: Diese Konstellation führt zu einer komplexeren steuerlichen Behandlung und kann zur sofortigen Entnahmebewertung führen.
Beraterhinweis
Bei der Planung einer vorweggenommenen Erbfolge ist eine sorgfältige Prüfung der steuerlichen Konsequenzen unerlässlich. Die Wahl zwischen Versorgungsleistungen und Nießbrauch sollte unter Berücksichtigung der individuellen Umstände sowie der steuerlichen Ziele erfolgen. Das Urteil des BFH bietet wertvolle Hinweise für die Gestaltung solcher Übertragungen. Auch muss darüber hinaus immer die Gesamtsituation abgewogen werden. Dies geht weit über das Steuerrecht hinaus. Es sind zivilrechtliche, sozialversicherungsrechtliche und wirtschaftliche Aspekte bei Nachfolgegestaltungen zu berücksichtigen.
Fundstelle
BFH-Urteil vom 8. August 2024, IV R 1/20, veröffentlicht in EStB 2024, 381.